Einsatz von freien Bildungsmaterialien

Open Educational Resources (OER) in Bremen

Heute ist die Antwort des Senats auf meine Anfrage zum Thema „freie Bildungsmaterialien“ gekommen. In 2014 werden wir als SPD-Fraktion dazu eine Veranstaltung durchführen – konkrete Aktionen sind der nächste Schritt.

Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD vom 22.10.2013

Im August 2013 wurde das erste auf freien Inhalten basierende Schulbuch für die 7. und 8. Klasse der Initiative „Schulbuch-O-Mat“ vorgestellt und kann seitdem kostenfrei heruntergeladen, verwendet und weitergegeben werden. Frei und kostenlos im Web für Lehrende und Lernende zur Verfügung gestellte Lehr- und Lernmaterialien werden international als „Open Educational Resources (OER)“ bezeichnet. Das Thema der OER spielt auf nationaler und internationaler Ebene eine zunehmend wichtige Rolle. Entsprechende Initiativen werden u.a. von der UNESCO, der OECD und der Europäischen Kommission unterstützt.

Freie Bildungsmaterialien können sowohl in elektronischer Form als auch als klassisches Buch verwendet werden und umfassen darüber hinaus auch vollständige Kurse, Kursmaterialien oder -aufgaben, Lehrbücher, Videos oder Anwendungsprogramme. OER stehen zum Beispiel unter Creative Commons-Lizenzen und können beliebig oft kopiert und untereinander ausgetauscht werden. Da sie von Lehrerinnen und Lehrern verändert und individuell an den Unterricht angepasst werden können, bieten digitale Werkzeuge Lehrkräften weitaus mehr Möglichkeiten, Lehr- und Lernmaterialien noch weiter zu differenzieren und dem heutigen Schulalltag mit seinen Heraus­forderungen Inklusion, Individualisierung und Binnendifferenzierung besser gerecht werden.

1. Wie bewertet der Senat das Prinzip und die grundsätzliche Idee der sogenannten freien Bildungsmaterialien?
Das Thema der Open Educational Resources (OER) ist gegenwärtig Gegenstand zahlreicher Diskussionen auf nationaler und internationaler Ebene (EU, OECD, UNESCO). Diese Diskussionen stehen jedoch noch relativ am Anfang. Bereits die Definition von OER ist zurzeit noch nicht eindeutig geklärt. Im Allgemeinen wird die Bezeichnung der „William and Flora Hewlett Foundation“ zugrunde gelegt, wonach unter OER „… frei zugängliche Lehr-, Lern- und Forschungsressourcen, die gemeinfrei oder auf der Basis freier Lizenzen die Verwendung und Veränderung erlauben“ zu verstehen sind.

In erster Linie geht es damit bei OER um rechtlich geschützte, aber bewusst freigegebene Materialien und damit um Inhalte, die allgemein für die Wissens- und Kompetenzvermittlung verwendet werden können. Praktisch kann die Weitergabe vor allem auf digitalem Wege erfolgen.

Seit kurzem entfalten die OER-Aktivitäten auch in Deutschland eine zunehmende Dynamik unter den Bildungspraktikern. Ungeachtet dessen ist die OER-Diskussion in Deutschland mit einiger zeitlicher Verzögerung gegenüber anderen OECD-Staaten aufgenommen worden. In Bremen fand erst im September 2012 das erste sog. OER-Camp statt. Drei Tage lang trafen hier Lehrkräfte, Schüler/-innen, Studierende, Schulbuchverleger, Hochschulvertreter, Personen aus dem außerschulischen Bereich und bildungspolitisch Interessierte zusammen, um über die Chancen und Herausforderungen von Open Educational Resources (OER) zu sprechen.

Vor diesem Hintergrund und aufgrund der Vielzahl ungeklärter komplexer Fragestellungen im Kontext von OER, ist es für eine grundsätzliche Bewertung der OER-Diskussion und – Praxis aus Sicht des Senats momentan noch zu früh. Der Grundphilosophie von OER steht der Senat ausdrücklich positiv gegenüber, da dadurch neue Möglichkeiten geschaffen werden können, Inhalte gemeinsam zu entwickeln und sie dezentral zur Verfügung zu stellen. Das kommt sowohl den Lernenden als auch den Lehrenden zu Gute.

2. Inwiefern und ggf. mit welchem Ergebnis wurde dieses Thema im Rahmen der ständigen Kultusministerkonferenz bisher behandelt?

Die 84. Gemischte Kommission (Länderseite) der Kultusministerkonferenz (KMK) hat in ihrer Sitzung am 23. und 24.05.2013 auf der Grundlage eines von einigen Mitgliedern erstellten ersten Diskussionspapiers zu OER sowie eines Vermerks des Sekretariats, in denen die wichtigsten bislang ungeklärten technischen, rechtlichen, finanziellen, wirtschaftlichen und bildungspolitischen Fragestellungen im Kontext von OER skizziert sind, einen ausführlichen Meinungsaustausch durchgeführt. Sie hat hierzu auch einen Vertreter des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) angehört, der zum Thema „Open Educational Resources – Standortbestimmung in einem Handlungsfeld der Zukunft“ aus Sicht des Bundes berichtet und auf die Notwendigkeit einer gemeinsamen Positionierung von BMBF und KMK hingewiesen hat. Im Ergebnis erachtet die Gemischte Kommission (Länderseite) der KMK eine Bund-Länder Stellungnahme für erforderlich.

Die 215. Amtschefkonferenz hat am 12.09.2013 deshalb den Schulausschuss gebeten, bis November 2014 die Erarbeitung einer Stellungnahme gemeinsam mit dem BMBF zu OER zu beauftragen; diese Stellungnahme wird fachlich vorbereitet durch die Gemischte Kommission (Länderseite), in der ein Vertreter der Senatorin für Bildung und Wissenschaft ständiges Mitglied ist.

3. Wie ließe sich aus Sicht des Senats gewährleisten, dass im Unterricht eingesetzte freie Bildungsmaterialien den Qualitätsanforderungen herkömmlicher Lern- und Lehrmaterialien entsprechen?
Die Sicherstellung und Gewährleistung von Qualitätsstandards ist eine der zahlreichen Fragestellungen und Problemfelder, die sich bei der Beschäftigung mit OER eröffnen. Es ist zurzeit eine völlig ungeklärte Frage, in welcher Form es eine Qualitätsprüfung und Qualitätssicherung geben könnte und nach welchen Kriterien diese erfolgen sollte. Im Hinblick auf die curricularen Bezüge kann momentan nicht sichergestellt werden, dass OER in mehrjährigen, curricular aufgebauten Zusammenhängen dargestellt und angeboten werden, damit sich Lernwege von Schüler/-innen nahtlos organisieren lassen.

Es ist daher Teil des o.a. Arbeitsauftrages der Amtschefkonferenz an den Schulausschusses, im Rahmen der beauftragten Stellungnahme zu OER Antworten oder Verfahrensvorschläge auf diese Fragestellungen zu geben.

4. Welche rechtlichen, technischen und organisatorischen Voraussetzungen müssen aus Sicht des Senats für den produktiven Einsatz von freien Lern- und Lehrmaterialien in Schulen geschaffen werden?
Auch für die Beantwortung dieser Frage ist zunächst grundsätzlich zu klären, ob aus der Sicht der Bundesländer – mit Blick auf Initiativen und Maßnahmen der EU und des Bundes – die Bereitschaft besteht, die Herstellung, Verbreitung und/ oder Nutzung von OER zu fördern oder ob die zukünftige Entwicklung (in einem sich völlig frei entwickelnden Markt für OER) für den Bereich der schulischen Bildung unabhängig von staatlicher Seite bleiben soll.

Sollte ein staatliches Engagement gewünscht sein, stellen sich komplexe Fragen der Distribution, der Finanzierung, der Sicherung der inhaltlichen und (urheber-)rechtlichen Qualität (auch Verhinderung tendenziöser oder verbotener Inhalte) und zur Herstellung der Metadaten und des curricularen Bezugs.

Es ist Ziel der von der Amtschefkonferenz beauftragten Arbeitsgruppe zur Erarbeitung der Stellungnahme zu OER, diese vielfältigen ungeklärten Fragestellungen zu analysieren und einen Vorschlag für ein künftiges gemeinsames Vorgehen zu erörtern. Es wäre zudem zu prüfen, welche Rolle das FWU als Medieninstitut der Länder oder der Deutsche Bildunsserver in Kooperation mit den Landesbildungsservern übernehmen könnten. Zudem sind die Folgen zu berücksichtigen, die das Eingreifen des Staates in den Markt der Bildungsmedien nach sich ziehen könnte.

Der Senat ist daher gehalten, die beauftragte Stellungnahme als Grundlage für eine abgestimmte Position zwischen BMBF und KMK abzuwarten.

5. In welchen Schulfächern bietet sich der Einsatz von freien Bildungsmaterialien aus Sicht des Senats besonders an?
Aus Sicht des Senats ist aus heutiger Sicht der Einsatz von OER unter bestimmten Voraussetzungen in allen Schulfächern denkbar. Stichhaltige Gründe, bestimmte Schulfächer zu priorisieren, lassen sich gegenwärtig nicht erkennen. Grundsätzlich sind OER in der Schule für alle Bereiche einsetzbar, bei denen die Unterrichtsmaterialien keiner formellen Zulassung bedürfen, wie etwa bei Lernbüchern an öffentlichen Schulen zur Verwendung in Grundschulen und Schulen der Sekundarstufe I. Die Formalien zur Lernbuchzulassung sind in den Richtlinien für die Zulassung von Lernbüchern an den öffentlichen Schulen im Lande Bremen vom 23.03.2011 geregelt. Im Hinblick auf OER müssen auch diese Verfahren gegebenenfalls modifiziert werden.
6. Welchen Ansatz zur Erstellung und Finanzierung von freien Bildungsmaterialien hält der Senat für geeignet?
Die Erstellung von didaktisch aufbereiteten Inhalten, die anschließend als OER freigegeben werden, erfordern erhebliche finanzielle Anstrengungen. Zudem kann es erforderlich sein, gegen Geld die Rechte Dritter an Werken zu erwerben, die in OER einfließen sollen. Gleichzeitig müssen OER gespeichert und verfügbar gemacht werden, was weiteren finanziellen Aufwand erforderlich macht. Das widerspricht jedoch nicht der Grundphilosophie von OER-Materialien, dass Wissen mit weniger Aufwand mehr Menschen erreicht. Vor allem durch das Internet als universelle Kopier- und Distributionsmaschinerie würden durch die kostengünstige Verteilung andererseits auch Einsparpotentiale entstehen. Über den Umfang finanzieller Auswirkungen ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine Aussage möglich.

Bereits heute fördert die öffentliche Hand die Erstellung von OER, indem Lehrende, die an öffentlichen Einrichtungen beschäftigt sind, im Rahmen ihrer Arbeitszeit erstellte Materialien als OER freigeben. Darüber hinaus existieren bereits gegenwärtig öffentliche Ausschreibungen und Förderprogramme, die direkt auf die Erzeugung neuer OER abzielen.

Insgesamt ist die Entwicklung rund um OER zurzeit so dynamisch, dass aus den unter Frage 4. genannten Gründen der Senat gehalten ist, die beauftragte Stellungnahme als Grundlage für eine abgestimmte Position zwischen BMBF und KMK abzuwarten.

Drucksache

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