Überwachungssoftware unter das Kriegswaffenkontrollrecht stellen
Seit Jahren wird Überwachungssoftware aus Deutschland im Ausland eingesetzt. Damit ist es möglich, den Inhalt fremder Festplatten und Smartphones auszuspähen, an Passwörter zu gelangen, den E-Mail- und Telefonverkehr zu überwachen oder Standorte zu bestimmen. Die Überwachungssoftware kann über gefälschte Update-Meldungen oder E-Mail-Anhänge auf Computern und Smartphones installiert oder in Netzwerke eingeschleust werden, ohne dass deren Nutzerinnen und Nutzer es bemerken. Hierzu tragen insbesondere Überwachungstechniken bei, die auf der Infrastrukturebene direkt Inhalte von Datenströmen durchsuchen, filtern und manipulieren können.
Im Zuge des sogenannten arabischen Frühlings wurde immer wieder berichtet, dass soziale Netzwerke, Blogs und Microbloggingdienste, über die sich demokratischer Protest organisiert und vernetzt hat, von staatlicher Seite überwacht und mit dem Ziel manipuliert wurden, Oppositionelle zu verfolgen und demokratischen Protest zu unterbinden. Damit sich oppositionelle Kräfte nicht weiter vernetzen konnten, versuchten die Führungen einzelner Staaten zeitweise gar, die komplette Kommunikationsstruktur ihrer Länder vom Internet abzutrennen. Überwachungssoftware kann daher zu Zeiten von Revolutionen und Aufständen ein wichtiges Mittel sein, um gegen die Opposition vorzugehen oder sie gar zu bekämpfen.
Seit 2008 wurde in Deutschland die innenpolitische Diskussion um elektronische Überwachungssoftware maßgeblich vom „Staatstrojaner-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts geprägt. In der Urteilsbegründung hält das Gericht fest, dass mit solcher Software nicht nur in den Kernbereich der Privatsphäre eingegriffen wird, sondern teilweise auch Manipulationen von Inhalten erfolgen können. Den Einsatz solcher Software in Deutschland lässt das Gericht daher nur unter sehr strengen verfassungsrechtlichen Auflagen zu, die bis heute technisch nicht realisiert sind. Diese Standards müssen auch beim Export in andere Staaten gelten.
Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:
Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf,
- sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass der Export, Verkauf und die Verbreitung von Software, die der Überwachung und Ausspähung personenbezogener Daten dient, unter das Kriegswaffenkontrollrecht gestellt wird. Ebenso soll keine Unterstützung, z.B. in Form von Schulungen, in jenen Ländern erfolgen, denen der Erwerb solcher Software untersagt wurde.
- Unternehmen die solche Software herstellen, sollen in einem öffentlich einsehbaren Verzeichnis aufgeführt werden. Eventuelle Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollrecht werden dort vermerkt. Firmen, die solche Verstöße begangen haben, werden bei öffentlicher Beschaffung nicht mehr berücksichtigt. Dies kann nur durch einen Bürgerschaftsbeschluss wieder aufgehoben werden.
- sich auf Bundes- und Europaebene dafür einzusetzen, das Kriegswaffenkontrollrecht derart zu novellieren, dass der Export von Überwachungssoftware trolliert werden kann und Software, die der Überwachung dient, genauso zu behandeln ist wie Güter, die unter das Kriegswaffenkontrollrecht fallen.
Mustafa Öztürk, Dr. Matthias Güldner und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Rainer Hamann, Björn Tschöpe und Fraktion SPD
Debatte in der Bürgerschaft Dezember
Der Antrag wurde am 12. Dezember mit Stimmen der Regierungskolationen und der Linkspartei angenommen. Leider konnte sich die CDU diesem Antrag nicht anschliessen.
Für den Senat hat Staatsrat Dr. Heseler die Unterstützung im Bundesrat und auf europäischer Ebene zugesagt.