Bericht des Präsidenten der Bremischen Bürgerschaft über „Jugend im Parlament 2012“

Debatte in der Bremischen Bürgerschaft am 23. Januar 2013

Bericht des Präsidenten der Bremischen Bürgerschaft über „Jugend im Parlament 2012“ vom 30. November 2012 (Drucksache 18/679)

Die Beratung ist eröffnet. Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Hamann.

Abg. Hamann (SPD): Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen und in erster Linie natürlich liebe Teilnehmende des Projekts „Jugend im Parlament!“ Das Projekt Jugend im Parlament fand im Jahr 2012 zum siebten Mal, vom 8. bis zum 13. Oktober, statt.

An dieser Veranstaltung haben in diesem Jahr 96 Jugendliche aus Bremen und Bremerhaven teilgenommen, und zwar im Alter zwischen 14 und 18 Jahre, und die Jugendlichen kamen von 26 Schulen aus Bremen und Bremerhaven. Einige von ihnen sind heute hier. Ich begrüße Sie noch einmal ausdrücklich, freue mich, dass Sie die Zeit gefunden haben und hoffe, dass Sie keinen Unterricht schwänzen mussten, um heute hier bei uns zu sein!

(Beifall)

Es ist das zweite Mal, dass das Konzept umgestellt worden ist. Nach der ehemaligen Verfahrensordnung war es so, dass die Resolutionen in den Deputationen besprochen worden sind. Dieses Mal war es anders, es wurde über Themen abgestimmt. Es gab vier Themenblöcke, die ich kurz nennen möchte: erstes Thema, „Abi-Stress in zwölf Jahren/Einheitsabitur, welche Chancen haben Bremer Schülerinnen und Schüler?“; zweites Thema, „Inklusion, ja wie denn, ohne ausreichend viele Lehrkräfte?“; drittes Thema, „Arme Kinder bringen es nicht! Warum ist deren Erfolg gerade in Bremen und Bremerhaven so schwierig?“; und das vierte Thema, „Verschuldung bei Jugendlichen, Mobilkosten und Wettschulden, wer schützt uns?“.

Im Rahmen der Beratungen sind einige Resolutionen verabschiedet worden. Ich möchte auf einige eingehen, bei anderen befinden wir uns noch im Beratungsprozess. Ich möchte mit dem Thema „Verschuldung von Jugendlichen durch Mobilfunk“ anfangen.

Die Resolution enthält eine Forderung, die ich sehr spannend finde. Die Idee ist, dass Mobilfunkunternehmen 0,9 Prozent ihres Umsatzes ausgeben sollen, um Jugendliche darüber aufzuklären, welche Schulden auf sie durch die Mobilfunknutzung zukommen können. Ich habe mir die Frage gestellt, die aber nicht beantwortet worden ist: Wie kommt man auf 0,9 Prozent, warum nicht 1 Prozent oder 0,5 Prozent? Welche Bedeutung haben die 0,9 Prozent? Die Frage wird unbeantwortet bleiben.

Es wurde weiterhin gefordert, das Thema Verschuldung offensiv im Unterricht zu diskutieren. Hierzu fand eine interessante Diskussion statt, ich war als Parlamentarier als Gast geladen. Die einen sagten, man bräuchte dazu spezielle Fachlehrer, andere sagten, nein, das könne in den normalen Unterricht integriert werden. Andere sagten, manche Lehrer wüssten das nicht, andere sagten, die müssten sich dann eben vorbereiten. Wir finden das insgesamt hochgradig spannend und diskutieren gerade, auf welche Weise Aufklärungsmaßnahmen durchführbar sein können. In anderen Bereichen wird das ja schon gemacht, ich denke beispielsweise an Spielhallen.

Meine Kollegin Frau Ryglewski hat mich aber noch auf einen anderen Punkt hingewiesen, der zurzeit bei dem Thema Verschuldung von Jugendlichen sehr viel deutlicher zum Tragen kommt, nämlich die EC-Karten-Problematik. Wenn man als Jugendlicher eine ECKarte auf Guthabenbasis bekommt, kann man mit dieser EC-Karte trotzdem am Lastschriftverfahren teilnehmen, auch wenn das Konto nicht gedeckt ist. Das wird dann teilweise nicht sofort online abgeprüft. Das führt natürlich im Nachhinein zu vielen Schritten und zu Ärger, weil das Konto dann eben doch nicht gedeckt gewesen ist. Das ist ein Problem, das gerade aktuell ist.

Ein weiterer aktueller Bereich beim Thema Verschuldung sind die sogenannten Abo-Fallen, die dadurch aktiviert werden, dass man im Internet auf irgendwelche Dinge klickt. Es wird auch intensiv auf Bundesebene diskutiert, dass Abmahngebühren zum Beispiel begrenzt werden. Diese Diskussion ist zurzeit aber noch nicht beendet. Die SPD-Bürgerschaftsfraktion teilt die Forderung, Abmahngebühren zu begrenzen.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte auf die Inklusion eingehen. Dieses Thema hat viele Facetten, und wir in Bremen haben uns ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Die Standards, die festgeschrieben sind, müssen umgesetzt werden, das ist an dieser Stelle vollkommen klar. Es gibt einige Probleme, die auch in den Resolutionen ordentlich beschrieben worden sind. Das Thema Bau ist etwas völlig Einfaches an dieser Stelle. Wenn man die Inklusion einführen möchte, dann ist es schwierig, von heute auf morgen alle Schulgebäude umzubauen, da wir mehrere Hunderte in dieser Stadt und natürlich auch in Bremerhaven haben. Das ist ein langwieriger Prozess, aber wir arbeiten daran.

Die zweite Problematik, die angesprochen worden ist, ist das Problem, ich nenne es einmal der „alten Lehrer“. Damit ist gemeint, dass die Lehrer, die aktiv unterrichten, vielleicht noch Beratungsbedarf haben und weiter ausgebildet werden müssten. Es wird gefordert, dass man einen Inklusionsstudiengang schafft. Diesen Studiengang gibt es, wir haben in Bremen den Masterstudiengang Inklusionspädagogik, das heißt, die Studierenden, die jetzt ausgebildet werden, haben dann irgendwann diese Qualifikation. Das ist ein Prozess, der noch einige Jahre dauern wird. Das ist ein ambitioniertes Projekt. Auch im Bereich der Finanzierung, das hat der Bürgermeister erklärt, wird noch „eine Schippe draufgelegt“, und wir als Sozialdemokraten stehen vollkommen dahinter.

(Beifall bei der SPD)

Problemkreis „Arme Kinder bringen es nicht!“. Es wurde gefordert, Teile des Kindergeldes auf Gutscheine umzustellen. Mit diesen Gutscheinen kann man dann einkaufen. Wir als Sozialdemokraten sagen: Nein, das geht so nicht! Wir können nicht in die Familien hineinregieren und den Familien vorschreiben, wofür sie das Geld auszugeben haben. Das lehnen wir an dieser Stelle ab. Es muss also so sein, dass die Institutionen vernünftig finanziert werden, und das ist das, was wir wollen.

Eine weiteres Thema, das auch in diesem Bereich diskutiert worden ist, fand ich auch sehr ambitioniert und spannend: Wenn eine Lehrerin oder ein Lehrer merkt, dass ein Schüler Probleme in der Schule hat, und der Schüler irgendwo in einem Sportverein aktiv ist, dann war die Idee, man möge sich bitte mit dem Sportverein oder mit der Trainerin oder dem Trainer in Verbindung setzen und die Problematik thematisieren. Als jemand, der für das Thema Datenschutz verantwortlich ist, habe ich damit natürlich Schwierigkeiten, so einfach geht es nicht.

Die Schule kann nicht verpflichtet werden, mit bestimmten Sportvereinen Kontakt aufzunehmen. Das geht nicht. Als Schüler hätte ich damit auch Schwierigkeiten. Wenn ich zum Beispiel Schwierigkeiten im Fach Mathematik habe, und ich komme dann in meinen Sportverein, in dem ich im Fußball sehr gut bin, dann möchte ich dort nicht im Nachhinein vom Trainer angesprochen werden: Deine Elfmeter hast du heute gut geschossen, aber die binomischen Formeln musst du noch einmal üben! Das ist ein bisschen schwierig, und deshalb können als Sozialdemokraten das nicht mittragen. Das waren einige Beispiele.

Für uns als rot-grüne Koalition ist die Jugendbeteiligung ganz wichtig. Ich möchte das an einigen Beispielen noch einmal herausarbeiten.

Beispiel eins: Wahlrecht! Wir haben das Wahlalter, um an den Wahlen der Beiräte teilnehmen zu können, im Oktober 2006 auf 16 Jahre gesenkt. Wir haben das Wahlrecht für den Landtag im November 2009 auf 16 Jahre gesenkt, und zwar als erstes Bundesland. Dazu gab es viele Diskussionen. Ich sage für die SPD, das ist der richtige Weg, um Jugendliche zu beteiligen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Es gibt auch seit Kurzem für Erwachsene, aber natürlich auch für Jugendliche die Möglichkeit, die Sitzungen der Deputationen zu besuchen. Sämtliche Deputationen und Ausschüsse, die früher nicht öffentlich getagt haben, tagen jetzt öffentlich. Das ist auch eine Möglichkeit der Beteiligung, obwohl man ja nur Zuschauer ist.

(Glocke)

Ich komme zum Schluss! Da ich bis zu dreimal bis zu fünf Minuten Redezeit habe, melde ich mich gleich noch einmal, um auf ein paar weitere Ideen zu sprechen zu kommen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

[…]

Vizepräsident Ravens: Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Hamann.

Abg. Hamann (SPD)*): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will an die Ausführungen von Herrn Erlanson anknüpfen. Auch wir als SPD-Fraktion freuen uns auf das nächste Projekt. Ich möchte noch einige Punkte ansprechen und weitere Ideen nennen, die in direkten Gesprächen am Rande der Veranstaltung diskutiert worden sind.

Es wurden die Fragen gestellt: Warum gibt es eigentlich keine Live-Debatten? Warum kann es nicht sein, dass wir in der Schule sitzen – wir haben einen Medienraum, wir haben Webcams, wir haben Skype und Sonstiges – und eine Art Aktuelle Stunde zu bestimmten Themen live mit der Bürgerschaft am Anfang eines Sitzungstages durchgeführt wird, und zwar genauso, wie die Aktuelle Stunde oder die Fragestunde Bestandteil der Bürgerschaftssitzungen sind? Das ist eine Anregung, über die man ja vielleicht einmal nachdenken könne.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Haben wir hier Skype?)

Das ist aber leistbar! Das ist ein Argument, das ich nicht gelten lassen kann: Es gibt auch wunderschöne andere Produkte an dieser Stelle!

(Zuruf des Abg. R ö wekamp [CDU])

Das wäre vielleicht ein bisschen übertrieben, aber Sie wissen auch, dass es übertrieben ist, nicht wahr? – Gut!

Zweiter Punkt: Mehr Inhalte ins Web, wurde gesagt! Die Jugendlichen haben gesagt, wir leben heute im Internet, wir möchten die Unterlagen haben. Ja, das haben wir teilweise schon erfüllt. Im Rahmen der Transparenzoffensive sind die Unterlagen der Deputationen aus dem Internet abrufbar. Man kann aber auch eine Beteiligung zu Sachthemen über das Internet realisieren, das hat mir mein Kollege Herr Senkal gerade mitgeteilt. Wir haben über das Thema Discomeile debattiert. Es wird gerade eine Online-Plattform eingereicht, über die man sich über das Internet an der Diskussion beteiligen kann, wie die Discomeile später aussehen soll. Das ist, finde ich, auch eine gute Sache.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ein weiterer Punkt, den man kennt, wenn man Ware verkaufen will: Wenn die Kunden nicht zu uns kommen, müssen wir zu den Kunden gehen. Ich bezeichne das einmal mit den Stichworten Deputation in die Schule. Warum kann es nicht sein, dass eine Deputationssitzung zu einem bestimmten Thema einmal in einer Schule stattfindet? Auf der Ebene der Beiräte wird es praktiziert, die Sitzungen der Fachausschüsse finden in Einrichtungen statt. Es ist die Frage gestellt worden, warum die Sitzungen nicht in der Schule stattfinden können. Das ist, finde ich, auch eine sehr schöne Idee.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Letzter Punkt! Es wurde eine Rückmeldung zu den Resolutionen angemahnt: Wir möchten gern eine verbindliche Erklärung haben, was aus den Dingen, die wir hier gemeinsam erarbeitet haben, wird. Ich möchte mich ausdrücklich bei allen Beteiligten bedanken. Ich möchte mich ausdrücklich bei der Verwaltung bedanken, die mit hohem Engagement das Projekt durchgeführt hat. Ich möchte alle Jugendlichen auffordern: Seien Sie unbequem, seien Sie wild, beteiligen Sie sich, streiken Sie, oder machen Sie sonst irgendwelche Dinge, das ist gut!

Wenn manche sagen, Jugendliche interessierten sich nicht für die Politik, dann stimmt das nicht. Ich möchte in diesem Zusammenhang eine Veranstaltung erwähnen. Im Februar 2012 gab es eine große Diskussion – auch mit Demonstration – zum Thema ACTA. Es hat es vorher noch nie gegeben, dass Tausende von Jugendlichen nach Bremen gekommen sind – ich war mit 48 Jahren fast der Älteste – und gegen ACTA demonstriert haben. Das Thema ist in den Schulen besprochen worden, da mussten sich die Lehrer erst einmal darüber informieren, was die Schüler mit ihnen diskutieren wollen. Deshalb: Mischen Sie sich weiterhin ein! – Vielen Dank!