Erfolgreiche Veranstaltung der SPD-Bürgerschaftsfraktion
Open Educational Resources (OER), also freie, beziehungsweise „offene“ Lehr- und Lernmaterialien bieten völlig neue Möglichkeiten: Lehrende stellen dabei frei verfügbare, kostenlose Schulbücher oder Unterrichtseinheiten zusammen, die dann von Schülerinnen und Schülern oder anderen Lehrkräften verwendet werden können.
Ähnlich wie bei der bekannten Online-Enzyklopädie Wikipedia, die komplett auf freien, urheberrechtlich nicht restritktiv geschützten Inhalten basiert, könnten Bildungsmaterialien auf diese Weise nicht nur kostenlos, sondern sogar weitaus aktueller werden, als in der althergebrachten, gedruckten Variante der Schulbuchverlage. Kostenlose Schulbücher und Bildungsmaterialien für alle – egal ob auf dem Tablet-Computer oder auf Papier. Das ist zumindest das Fernziel verschiedener Initiativen zum Thema „Open Educational Resources (OER)“. Diese können entweder – ganz klassisch – gedruckt oder von freiwilligen Autorinnen und Autoren nach dem Wikipedia-Prinzip im Internet erstellt werden.
Stellen freie Bildungsmaterialien also tatsächlich eine Revolution auf dem Gebiet der Lehr- und Lernmaterialien dar? Neben vielen Fachleuten, die der Idee ein großes Potenzial zuschreiben, befürchten andere, dass gerade durch die „freie“ letztlich unkontrollierte Gestaltung ein Qualitätsverlust in den Schulen entstehen könnte.
Um auch in Bremen die Diskussion über das Thema anzufachen, hat die SPD-Bürgerschaftsfraktion kürzlich unter anderem Heiko Przyhodnik zu einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung in den Wallsaal der Zentralbibliothek eingeladen. Przyhodnik ist einer der Initiatoren des ersten freien Schulbuchs (www.schulbuch-o-mat.de). Das dort online erstellte Biologiebuch für die 5. und 6. Klasse wurde mit Hilfe einer Crowdfunding-Spendenkampagne finanziert, von zahlreichen Freiwilligen mitgestaltet und steht nun ohne Restriktionen frei verfügbar als Download im Internet.
„Die Motivation, ein solches Schulbuch zu erstellen ergab sich vor allem aus der täglichen Praxis als Lehrer, denn für den Unterricht werden nicht nur Schulbücher benutzt, sondern auch Materialien aus verschiedenen Quellen zusammengefügt, kopiert und neu verfasst“, berichtete Przyhodnik.
Angesichts der komplizierten Urheberrechte würden dabei jedoch fast täglich ungewollt Gesetzesverstöße im Lehrerzimmer begangen. Auch Rainer Ballnus, Leiter des Zentrums für Medien am Landesinstitut für Schule (LIS), bemängelte bei der Veranstaltung der SPD-Fraktion die teils sehr restriktiven und schwer nachvollziehbaren Regeln der Schulbuchverlage. „Beispielsweise ist den Lehrerinnen und Lehrern der Versand bei einigen digitalen Materialien per E-Mail erlaubt, das Hochladen auf eine schulinterne Plattform hingegen nicht.“
Andreas Baer vom Verband der Bildungsmedien verwies hingegen auf die hohe Qualität der Materialien, die von den Schulbuchverlagen seit Jahrzehnten geliefert werde: „Das gibt es nun einmal nicht zum Nulltarfi.“ Projekte wie „Schulbuch-o-mat“ seien in diesem Zusammenhang zwar ein interessanter Ansatz, würden allerdings gleichzeitig viele Fragen aufwerfen: „Wie kann eine verlässliche Finanzierung aussehen? Wie erfolgt die Qualitätskontrolle?“ Außerdem verwies Baer er auf die 16 unterschiedlichen Lehrpläne der Bundesländer durch die es für Ehrenamtliche kaum machbar sei, alle Materialien jeweils anzupassen und auf dem aktuellen Stand zu halten. Dem pflichtete auch Rainer Ballnus bei. Ein Alleingang Bremens betonte er, sei daher wenig sinnvoll. Vielmehr seien nun die Bildungsminister an der Reihe: „Benötigt werden einheitliche, gemeinsame Verfahren um solche Materialien in den Unterricht zu integrieren.“
Der netzpolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion Rainer Hamann will die Diskussion jetzt weiterführen: „Fest steht – und darin sind sich eigentlich alle Experten einig – freie Bildungsmaterialien werden in Zukunft eine große Rolle spielen. Natürlich nicht von heute auf morgen – aber die Vorteile gegenüber der heutigen Praxis sind zu deutlich um ignoriert zu werden. Wir werden uns daher für die Erstellung und Verwendung von OER engagieren, nicht nur bei Schulbüchern sondern in allen öffentlichen Bildungseinrichtungen.“
Text: Matthias Koch, SPD Bürgerschaftsfraktion